Barbara Boisserée

2014
Barbara Boisserée
Vorwort zur Eröffnung des Skulpturengartens „Kaiser-Skulpturen“

Für Stefan Kaiser am 18.10.2014

Im Jahr 2000 fand eine große Ausstellung der Architektonischen Plastik von Stefan Kaiser im Kölner Maternushaus statt, welche durch einen Katalog dokumentiert wurde, der heute auch erhältlich ist.

Das Vorwort zur Ausstellung wurde vom damaligen Dombaumeister Prof. Dr. Arnold Wolff mit viel Einfühlungsvermögen und erfreulicher Begeisterung für die Arbeiten verfasst. Heute ist eine gute Gelegenheit, diesen Ausführungen in ihrer Kernaussage nochmals zu folgen.

Der erste Satz ist besonders schön und wer Herrn Dr. Wolff kennt, hört seine Stimme:

Seit die Menschen bauen, also aus Materialien unterschiedlichster Art Schutzgehäuse gegen Wind und Wetter, Kälte und Hitze errichten, schufen sie nicht nur nützliche Hilfen für das bessere Überleben, sondern zugleich auch plastische Gebilde, die sich deutlich von jenen unterschieden, die die Natur selber hervorbrachte.

Dieser Satz führt uns lebhaft das Spektrum der Architektonischen Plastik vor Augen, welche Stefan Kaiser in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten konsequent weiter verfolgte.

Wolff führte damals aus, dass sich die Architektur der reinen Behausung seit Anbeginn der menschlichen Kultur auch zur Architektur des Kultes jeglicher Art bis hin zur Erscheinungsform einer abstrakten Plastik entwickelt hat.

Hier lassen sich die Arbeiten von Stefan Kaiser einordnen, welche wir im vorderen Gartenteil und in der Werkstatt ansehen können.

Wir wollen einen interessanten Aspekt der Arbeiten, dem Aspekt überhaupt, der das Konzept von Stefan Kaiser prägt, gemeinsam näher betrachten.

Die formale Auseinandersetzung mit Horizontalen und Vertikalen.

Hier finden wir das wieder, was Wolff mit dem deutlichen Unterschied zur Natur bezeichnet:

Architektonische Plastik als Korrespondenz von horizontal und vertikal ausgerichteten Körpern – hier liegt die Faszination für Stefan Kaiser, hier forscht und sucht er immer weiter nach spannenden Momenten und dies mit einer Technik, die zunächst von der Vorstellung der Horizontalen und Vertikalen geleitet wird. Er drückt die Gebilde am liebsten in einen großen Tonblock, arbeitet in zwei oder drei Etagen nach unten, welche dann beim Wachsguss (und später in Bronze)  empor steigen. Die so genannte Negativdrucktechnik lernte er bei seinem geschätzten ersten Lehrer Elmar Hillebrand kennen, in dessen Atelier er als Schüler die ersten bildhauerischen Erfahrungen sammeln konnte. Eine Zeit, die ihn stärker prägte als das Studium der Bildhauerei bei Hans-Karl Burgeff in Köln.

Nun aber zurück zu den spannenden formalen Aspekten

  • der Horizontalen und Vertikalen,
  • des harmonischen Aufbaus,
  • der rhythmischen Wiederkehr von Formen
  • der Wiederholungen und
  • der Suche nach neuer Harmonie – Disharmonie.

Doch woran erinnern diese Begriffe?

Ja, wir befinden uns scheinbar in der Interpretation eines Musikstückes, welches wir abstrakt oder auch „gegenständlich“ in seiner Melodie (das ist die Horizontale) und in seiner Harmonie (das ist die Vertikale) als Zeitgestalt erleben.

Stefan Kaiser der Bildhauer ist auch Stefan Kaiser der Musiker. Nach zwei Jahrzehnten ohne aktives Musizieren entwickelte er mit Cello und Kontrabass in den vergangenen 15 Jahren eine intensive kammermusikalische Arbeit in verschiedenen Formationen und die Liebe zum Jazz.

Stefan Kaiser hat immer intensiv Musik gehört, Musik welche wir als klassische Musik landläufig bezeichnen. Sein Interesse liegt bei allen Epochen der Musikgeschichte, vor allem dann, wenn er bildhauerisch an der architektonischen Plastik arbeitet.

Bereits in der Antike vertrat man die These, Musik und Architektur seien verwandt.

Friedrich Wilh. Joseph Schelling bezeichnete Anfang des 19. Jahrhunderts in seiner Vorlesung Philosophie der Kunst die Architektur als erstarrte Musik.

(…) ein schönes Gebäude in der That nichts anderes als eine mit dem Aug empfundene Musik, ein nicht in der Zeit, sondern in der Raumfolge aufgefaßtes (simultanes) Concert von Harmonien und harmonischen Verbindungen“

Goethe nannte sie in seinen Maximen und Reflexionen eine „verstummte Tonkunst“.

Im 20. Jahrhundert war es Ferrucio Busoni, der seine Fantasia contrappuntistica  in Form einer Kathedrale anfertigte und viele kennen sicher das wunderbare Bild Max Ernsts im Ludwig Museum, welches die Komposition von Igor Strawinski nachempfindet – ein in sich rein horizontal und vertikal aufgebautes Gemälde.

Barbara Boisserée, 18.10.2014